Einer der letzten Spaziergänge in Schwaz. Am frühen Abend, als es noch hell ist, gehe ich aus dem Kloster heraus – wie immer schwingt die automatische Glastür erfreut auf, als sie wahrnimmt, dass jemand unter ihrem Sensor hindurchgeht. Auf dem Vorplatz sitzt womöglich die Frau mit dem roten Haar und raucht, begleitet von einer Pflegerin und wenn sie dort sitzt, grüßen wir uns. Ich biege um die Ecke und gehe die steile Straße, die vor dem Kloster und auch vor meinem Fenster vorbeiführt, hinauf....
Der Fischmarkt
Seit einigen Tagen schon hier, fast eine Woche. Wie sich alles gewandelt hat, wie die Pläne sich verwandeln müssen. Wir müssen elastisch bleiben, uns dehnen und biegen, in unseren Sporthosen, in unseren Vorhaben – wir müssen bereit sein zur radikalen Veränderung, sie kann jeden Tag kommen und jetzt ist sie da. Viele sagen, sie haben keine oder wenig Angst vor dem Virus, es sind eher die Konsequenzen, die Gesetze und Verbote, die erlassen werden zu seiner Eindämmung, die sie beunruhigen. Auch...
Le néant
Nach Tagen überfällt die Gewohnheit einen und sie überfällt einen teuflisch. Ich stieg fest in die Pedale des blau lackierten Fahrrads, Blumen wippten an der Klippe eines Flechtkorbs, der ebenfalls blau bestrichen an der ausschweifenden Lenkstange befestigt war. Wir fuhren vorbei an Hufnagelhäusern in Hellblau mit geschwungenen Giebeln, an beigen und braunen Feldern. Er fuhr vor mir, wir fuhren nach Illmitz und von dort aus zum See. Um uns herum rollte das Nichts, es rollte sich weiträumig...
der Zustand
Wir hatten nur diese zwei Räume, die von der geraden Treppe miteinander verbunden waren. Den oberen und den unteren Raum. Seit zwei Tagen durften wir nicht mehr hinaus. Es war eine Verordnung von „oben“, von staatlicher Seite, staatlicher Stimme, die sprach – sie sprach in der gewohnten Hülsenhaftigkeit, also in hohl klingenden Sätzen, doch dieses Mal bedeuteten sie etwas. Bedeuteten ganz konkret etwas für uns. Wir sollten zu Hause bleiben, wir sollten soziale Kontakte meiden. Erstaunlich,...
Kinderspiele
Vor dem Fenster spielen die Kinder, kleine Kinder in bunter Spielkluft, sie spielen anders als die Figuren auf Brueghels Gemälde. Sie sehen auch völlig anders aus. Im Begleittext zu dem Gemälde „Kinderspiele“ steht, es fehle die Ausgelassenheit und Sorglosigkeit, mit der man die Kindheit und das Verhalten der Kinder im Spiel heute verbinde, auch sähen die Kinder bei Brueghel aus wie kleine Erwachsene. Ihre Züge sind bereits eingerastet, sind ausgeprägt zu Charakteren, wirken geschnitzt und...
Zintberg
Einen Spaziergang in den Pirchanger, die Hänge, die Hänge, sagen wir und es steigt steil an, es steigt steil an in dieser Stadt. Manchmal glaube ich mein Hunger ist größer hier, der Hänge wegen, die ich immerfort hinaufsteige – oder ist es die Bergluft. Ich erzählte es ihm, in dem japanischen Lokal, das eher ein gemischt asiatisches ist und er sagte, es müssen die Hänge sein. Heute bin ich den Pirchanger hinauf spaziert, ich wollte das Architekturpanorama noch einmal betrachten, ein Gesteck...
Die Katzen vom Pirchanger
Die Katzen vom Pirchanger, fünf oder sechs, drängen sich um eine Hoftür, in der ein Mann gerade verschwindet. Sie sind gestreift, gepunktet, weiß und schwarz. Eine von ihnen sitzt auf einem kleinen Tisch neben der Tür und dehnt sich auf der runden Platte, die anderen reiben ihre eleganten Körper dicht aneinander in den Türspalt hinein. Eine Buntgescheckte stellt sich am Türholz hoch und kratzt. Es ist ungewöhnlich so viele Katzen auf einmal zu sehen- sie sind doch Einzelgängerinnen. Ich habe...
Verona II
Café Antico Santa Anastasia vor der Kirche mit demselben Namen, die ich gestern durchschritten habe. Eine Panoramascheibe zur Straße, manchmal schauen die vorübergehenden so starr herein, als könnte ich sie nicht sehen oder als sei ich ein Ausstellungsobjekt, ähnlich wie der rote Oktopus aus Glas, ein paar Fenster weiter, in einem Antiquitätengeschäft, den ich fotografierte. An der Etsch in der Sonne, große weiße Kiesel, rundgeschliffen vom Wasser, strecken sich aus als Masse vor der Brücke...
Verona
Eine Überquerung der Alpen und die Kulisse ist verändert. Am Brenner liegt raue Luft auf den Bergen, der Schnee fällt auf die hoch aufragenden Massen von hartem Gestein. Eine Lokomotive steht unter dem Berghang und dampft, keine Menschen. Es könnte ebensogut 1890 sein, 1970 oder jetzt. In Südtirol sind die Berge schon weicher, sie kommen mir höher vor und sind gepolstert von Grün dazwischen ist brauner Stein gefaltet und gestickt. Obwohl ich im Zug sitze glaube ich spüren zu können, dass die...
Schnee
In einem Balkonausschnitt hängt Wäsche auf einer Leine, es sind etwa drei lange Hosen, zwei davon gemustert und drei Oberteile mit langen Ärmeln. Ich schaue interessiert hin, will sie mir einprägen für eine Zeichnung später. Ich schaue so genau hin, dass ich ausrutsche auf dem immer wieder von Eislachen belegten Asphalt, es ist das dritte Mal bei dieser Wanderung dass ich falle, jedes Mal rutschte ich etwas gewagter aus, dieses Mal fange ich mich mit den Händen schon auf dem Asphalt aufkommend...
nach Rattenberg
Das Kloster steht im Dunkeln wie ein aufgeschlagenes Buch. Ich habe es schon gesehen, dennoch erscheint es mir an diesem Abend anders, erneut leuchtet es vor dem Schirm der Nacht, die herabgefallen ist. Schwarz sind die Figuren auf einer Erhöhung an der Längsseite der Franziskanerkirche, sie bücken sich unter eisernen Mänteln und Kapuzen. Vor der Automatiktür wird geraucht, ich gehe durch eine Wolke hindurch, trete auf die Straße, es nieselt, ich nehme den oberen Weg, am Saum der Berge,...
Stoff Museum
Im Knappenanger ein ausgetrocknetes oder erfrorenes Rinnsaal, das steinerne Flussbett ganz mit Mehl bedeckt. Über einen hölzernen Steg gehe ich auf die andere Seite, wo kleine Häuser in lila und grün sich ordnen. Darüber der bleiche Himmel und die Berge von allen Seiten, sie schauen herab, es hat etwas Drohendes, sagt später im Museum jemand zu mir. An Feldern und Höfen vorbei über einen schmalen Weg. Ich denke, ob ich es verpasst habe, in die falsche Richtung gegangen bin, so wie gestern auf...
Galerie
In das Bäckerei-Café eingekehrt, nach dem Besuch der Galerie der Stadt Schwaz. Ich gehe häufig diese Altstadtstraße entlang, manchmal ist sie menschenleer. Am Ende steht die große Kirche, die von vielen Stellen im Ort aus sichtbar ist, vom Waldweg aus gesehen, hebt sich die Fläche ihres grünen Dachs von tiefer liegenden Dächern ab. Auf der anderen Straßenseite ist ein bogenförmiges Steintor dunkel in die Wand gebrochen, eine gläserne Tür öffnet sich von alleine als ich mich auf sie zubewege,...
Pill
25.01.2020 Wanderung nach Pill. Ein winziges Stück Käse im Schnee auf dem schmalen sich windenden über Hügel und Schluchten hinwegführenden Waldweg. Ich notiere es bevor ich es vergesse, das gelbe Fragment im weißen Schnee. Hier gibt es noch Schnee – „da ist die Welt noch in Ordnung“ Satz von Rosa als ich sie auf den Schnee in Russland ansprach. Ich bin bergauf gegangen hinter der Klosterkirche, es kamen zunächst einige Wohnhäuser, alte und neue. Traditionell wirkende, leicht verfallene,...
erste Tage
Die Berge gegenüber der Wohnung, weiß besteckt. Milchpfützen um Kufstein. Wir sind etwas trinken gegangen in ein gelbbraunes Lokal, unten am Inn. Es ist eine eher kleine Stadt, die man schnell durchschritten zu haben scheint. Im Dunkeln liegt der Ausschnitt einer Wohnung, losgelöst vom Boden, kleine Wohnblase. Schwere Kapellentür am Ende des Gangs, die achteckigen Bodenfließen schimmern rötlich, wenn ich meine Hand aus der Tür strecke und das Licht einschalte. Reißender Inn unterwegs in der...