Einen Spaziergang in den Pirchanger, die Hänge, die Hänge, sagen wir und es steigt steil an, es steigt steil an in dieser Stadt. Manchmal glaube ich mein Hunger ist größer hier, der Hänge wegen, die ich immerfort hinaufsteige – oder ist es die Bergluft. Ich erzählte es ihm, in dem japanischen Lokal, das eher ein gemischt asiatisches ist und er sagte, es müssen die Hänge sein.

Heute bin ich den Pirchanger hinauf spaziert, ich wollte das Architekturpanorama noch einmal betrachten, ein Gesteck aus Häusern, alten und neuen und solchen, die als alte verkleidet in ihren Holzkostümen neu sind. 1997 ist in großen runden Ziffern in die hölzerne Fassade eines Bauernhauses hineingebrannt, es ist in die weiche Wiese gesunken, die steil abfällt ins Tal. Das Haus ist von hölzernen Terrassen und Girlanden umgeben, die weich geschnitzt geschwungene Formen zeigen, nach außen tragen, ein wenig übertreiben. Es gibt hier einige gelungene moderne Architekturen, von Holzschindeln verkleidete Kuben, zwei hintereinander gestaffelt sind senkrecht in das Grundstück gesunken, die Haut reptilienhaft von rechteckigen hellen Holzstückchen ganz bestückt, schon ein wenig angebräunt und -gedunkelt, ob es irgendwann ganz dunkelbraun ist?

Von Weitem sehe ich weit oben am Hang ein aus der Felswand ragendes Gebäude, sein Vorbau, eckig und weiß steht auf dunklen schmalen Piloti in der freien Luft. Ein wenig gewagt aber nicht sehr. Die dünnen Betonbeine knicken nicht ein.

Ich gehe heute den Weg umgekehrt, zuerst durch den Pirchanger bis zu der offenen Baugrube, in der unter der Woche unermüdlich geschabt wird. Vor meiner Tür gegenüber auf dem Gang wurde ebenfalls geschabt heute tagsüber, wird es womöglich immer noch- es lagen einige Gegenstände vor der Tür, als räume man dort eine Wohnung.

Der Waldboden ist federnd und weich, ist aufgelöst von dem schmelzenden Schnee, schwarze zerwühlte nasse Erde, Rinnsale, das unaufhörliche Tropfen – gestern schon auf dem Zintberg, rasendes klingelndes Schmelzwasser floss aus einer Dachrinne, eine schöne schwarz-weiße Katze kam den Berg hinab, ich sprach zu ihr, sie funkte mich an mit ihren grünen Augen, ich flötete: gute Figur. M. lachte. Sie verschwand hinter uns über eine Steinbrüstung springend. Wir waren den steilen Weg hinauf gestiegen im tiefen Schnee unter hohen wankenden Bäumen, Schneebällchen hingen in den schmalen Sträuchern, es glitzerte, blaute über den Fichtenkronen- ein Nietzsche-Wald, ruft M., ein Stifter Wald. Vor einem zur Seite gebogenen dünnen Baumstamm, der sich in schwindelnder Höhe an seinen Nachbarn lehnt und eine Arkade bildet, bleibt er stehen und sagt, darüber allein schon könne man mehrere Seiten ins Journal schreiben. Es taut bereits, Schnee fällt halbaufgelöst von den Zweigen, es ist warm, beinahe heiß beim Aufstieg und doch stecken unsere Beine tief im Schnee, er pulvert meine Schuhe ein. Auf dem Zintberg haben wir kalte Füße, wir setzen uns auf eine von zwei Bänken, die mit dem Rücken an das geschlossene Lokal gelehnt in der Sonne stehen. Wir picknicken aus den gelb-weißen Rautentüten, M. erzählt von einem Kamelritt durch die afghanische Wüste, es schwankte so sehr auf dem hohen Tier, dass sein Freund immerzu kotzte. (Er stopft den Tabak mit silbernem Instrument in seine Pfeife). Uns gegenüber steht eine kleine Kapelle aus Holz und Stein mit einem karussellartigen Dachaufbau.

Ein Bächlein fliesst aus dem Gebirge und unterbricht den Weg, der Boden ist von einer dünnen zarten Wasserschicht bedeckt wie hingehaucht, kleine Steinbrocken stehen hervor, die wir mit dem Sohlen betupfen um den Bach zu überqueren.

(Das Wort Weiderost spielt eine Rolle, ich überstieg einen solchen schon zwei Mal, beim Abstieg vom Pillberg)

Heute ging ich den Schiller-Mensi Weg, die Fichten stemmten sich in die Höhe, es ging ein ungewohnt starker Wind, sie schwankten, trugen ihre Röckchen knapp und ließen sie rauschen.

Auf der anderen Seite sah ich das Schneegebirge und unten türkis flatternd den Inn – ein reissender Fluss, sagte I. während ihres Besuchs.

Hans Kloft „Mysterienkulte der Antike“ im Gepäck, vielleicht war deshalb der Rucksack so schwer beim Besteigen des Zintbergs, das Buch ist dünn, aber der Name (Kloft) hat Gewicht.

Als ich auf einer Empore über der Stadt sitze, orange-gelbe Bank unter mir, höre ich die Fichten sagen, sie seien bewegt – heute. Es sei der letzte Tag des Februar, ein Schaltjahr, das gibt es ja auch nicht so oft. Schon wieder vier Jahre vorbei. Dabei stünden sie hier schon lange, hatten schon einige Schaltjahre erlebt, eigentlich zahllose. Ich denke an die zwei Omas in Verona im Café Wallner und erkenne etwas von ihnen in den Fichten oder etwas von den Fichten in ihnen, vielleicht sprachen sie über das Schaltjahr wer weiß. Ich höre noch ein wenig zu, ein Mann in Sportkleidung und gelbgrauen Mammutschuhen rauscht vorbei, er saß weiter oben auf einer Bank, die noch prächtiger gelegen war, als die, auf der ich nun weile. Ich beneidete ihn kurz, aber nur ein wenig, er streckte seine Beine vor in den Hosen ebenfalls von Mammut, kann sein, hörte Musik mit weißen Kopfhörern und sah zufrieden aus. Alle haben Funktionskleidung und funkeln damit durch die Berge, nur ich nicht. M. auch nicht, in schwarz und dunkelblau mit einem Ast als Wanderstock und er mit einem langen schwarzen Regenschirm mit gebogenem Griff stiegen wir auf den Zintberg. Es begegnete uns ein einziger Mann, der bereits abstieg mit zwei Skistöcken in den Schnee stach und gelb und blau umleuchtet war von schützendem Gewand.

(Am ersten Abend gingen wir in einen Döner Laden, den einzigen glaube ich, wir stolperten daran vorbei und er saugte uns ein, denn alles andere war bereits zu.)