„Aristoteles hatte als höchstes Glück jene Muße bestimmt, die es den Menschen ermöglicht, in der kontemplativen Anschauung, im Wissen um seiner selbst willen, in der reinen Theorie, ohne Verwertungs- und Praxiszwang, jene Fähigkeiten zu entfalten, die allein den Menschen auszeichnen: die Freiheit und die Lust des Denkens, die Freiheit und die Lust am Erkennen, die Freiheit und die Lust am Verstehen, die Freiheit und die Lust am Schönen. /…/ Das aktuelle Glücksversprechen der Bildung ist ein falsches, weil es dabei weder um Bildung noch um Glück geht. Es geht, wenn überhaupt, um Abrichtung, Anpassung und Zufriedenheit durch Konsum. Was heute unter dem Titel Bildung firmiert, was von Bildungsjournalisten propagiert, was von Bildungsexperten verkündet, was von Bildungsforschern behauptet, was von Bildungspolitikern durchgesetzt, was an Schulen und Universitäten beworben wird, ist deren Gegenteil und Karikatur, eine Phrase, eine Schimäre, eine einzige riesige Sprechblase, ein Gespenst, das nicht um Mitternacht, sondern zur besten Unterrichtszeit sein Unwesen treibt: Geisterstunde! Die Konturen dieses Gespensts erinnern manchmal noch an die Idee der Bildung, die damit verbundenen Ansprüche und Verheißungen könnten wohltönender nicht sein, und doch verbirgt sich dahinter – nichts. Kein Wissen, keine Haltung, keine Kultur, kein Glück.”
(Konrad Paul Liessmann im Vorwort zu Geisterstunde – Die Praxis der Unbildung. Eine Streitschrift)

Geisterstunde (Zsolnay Verlag 2014): Nach der „Theorie der Unbildung” jetzt die Praxis: Konrad Paul Liessmanns neuer Beitrag zum heiß diskutierten Thema Bildung!
Niemand weiß mehr, was Bildung bedeutet, aber alle fordern ihre Reform. Ein Markt hat sich etabliert, auf dem Bildungsforscher und -experten, Agenturen, Testinstitute, Lobbys und nicht zuletzt Bildungspolitiker ihr Unwesen treiben. Nach der „Theorie der Unbildung” nun also ihre Praxis: Das, was sich aktuell in Klassenzimmern und Hörsälen, in Seminarräumen und Redaktionsstuben, in der virtuellen Welt und in der realen Politik abzeichnet, unterzieht Konrad Paul Liessmann einer scharfen Kritik. Hinter der Polemik steht ein ernstes Anliegen: der Bildung und dem Wissen wieder eine Chance zu geben.

Univ.-Prof. Dr. Konrad Paul Liessmann, geboren 1953 in Villach, ist Professor für Philosophie an der Universität Wien und Autor zahlreicher Bücher zu Fragen der Ästhetik, der Kunst- und Kulturphilosophie und der Philosophie des 19. und 20. Jahrhunderts. Seit 1996 ist er Leiter des „Philosophicum Lech” und Herausgeber der gleichnamigen Buchreihe im Zsolnay Verlag. Zuletzt erschienen u.a. Theorie der Unbildung: Irrtümer der Wissensgesellschaft (2006), Die Freiheit des Denkens (2007), Zukunft kommt – Über säkularisierte Heilserwartungen und ihre Enttäuschungen (2007), Das Universum der Dinge – Zur Ästhetik des Alltäglichen (2010) und Geisterstunde – Die Praxis der Unbildung (2014). Außerdem äußert sich Liessmann immer wieder in Essays zu Themen wie Bildung, Bürgertum und Zeitgeist in den Feuilletons der Tageszeitungen „Der Standard” und „Die Presse” sowie der Zeitschrift „profil”.

Konrad Paul Liessmann wurde für sein Schaffen mit zahlreichen Preisen bedacht, u.a. mit dem Österreichischen Staatspreis für Kulturpublizistik (1996) und dem Ehrenpreis des österreichischen Buchhandels für Toleranz in Denken und Handeln (2003). 2006 wurde er vom Club der österreichischen Bildungs- und Wissenschaftsjournale mit dem Titel „Wissenschaftler des Jahres” ausgezeichnet.

Das Gespräch mit Prof. Liessmann führt der Schwazer Dr. Anton Hütter. Er studierte Philosophie und Psychologie und ist selbstständiger Organisationsberater und Wirtschaftstrainer.

Margaritha Wanitschek bei Konrad Paul LiessmannKonrad Paul LiessmannDr. Anton HütterVeranstaltung Konrad Paul LiessmannKonrad Paul LiessmannKonrad Paul LiessmannKonrad Paul Liessmann