mittwoch, 17.10.2018

hier ists so wie anderswo den herrn hans treffen. vielmehr ihn kennenlernen, kurz. in hall in tirol, vier s-bahnstation von schwaz richtung innsruck, gerade mal eine viertelstunde fahrt, und der herr hans geht mit seinem rollator die schmalen wege der stadt langsam hoch. einen unfall habe er gehabt, seitdem müsse er sich schonen, erklärt er. und teppichhändler sei er, in schlesien geboren, in berlin aufgewachsen, über wien, graz und innsbruck irgendwie hier gelandet. setzt sich neben mich, klopft ans fenster des cafés, wir sitzen ja noch draußen, die bedienung kommt sofort, sie kennt ihn. einen tee bestellt er, ich einen sommerspritzer, warm genug ist es.

ich frage den herrn hans, warum er teppichhändler geworden ist, warum überhaupt händler, es klingt nach einer anderen zeit, und er lacht kurz, eigentlich ist es eher ein kichern, und dass auch das ein zufall gewesen sei, wie so vieles ja in seinem leben, und er blickt kurz ins leere, wovon es wenig gibt in dieser stadt, die wirklich eng im altstadtbereich ist, kaum lücken zu verzeichnen hat, als ob alles aus einem guss oder stein wäre, auch die neuen geschäfte fügen sich ein, brüche gibt es kaum, man muss schon genau hinsehen oder hinsehen wollen, und während der herr hans nicht aus hall ist, und auch gerade nur in einem provisorium wohnt, wie er sagt, nicht weit weg von dem café, vor dem wir sitzen, aber teppich-geschichten fast wie aus den alpenländischen interviews erzählen kann,

entdecke ich später (vorher) das grünmandl-plakat in einem leerstehenden gebäude, am rande der altstadt, diesen großen weiße fleck mit der schlichten typografie, neben der alten tür, diesen vielen alten und schweren türen, in dieser altstadt, in der so erstaunlich wenig auf den ersten blick auf otto gründmandl verweist, und lese später ein wenig in seiner lyrik, hier ists so wie anderswo, überhaupt über sein leben, dem gegen den strom schwimmen, sammele weiter in seinen sätzen und kurzen versatzstücken, lege einen proviant an oder wie man das nennen mag, es kommen härtere tage, schreibe weiter, sammle weiter. lese. freue mich sehr, an diesen orten zu sein, ihnen zu begegnen, begegnet zu werden.

 

Wir tragen alle ein zweites Gesicht

unter dem einen

das wir tags Spazieren führen

Wir haben alle Angst

in den Spiegel

zu schauen

wenn wir nachts erwachen

 

Otto Grünmandl

 

(zitiert nach Martin Seiler)