freitag, 2.11.2018 und die einen stehn im licht, und ob ich vom berggericht wüsste, fragt mich jemand bei jana im café, und ich schüttel verneinend den kopf, und ob ich wüsste, dass es in der pfarrkirche hier getagt habe, damals zur glanzzeit des silberbergwerks, und ich schüttel weiter den kopf, auch bei allem anderen, etwa dass der angeklagte auf der platte direkt vorm altar stehen musste, und das gericht hinterm altar über schuld oder nichtschuld entschied, während der bergmann dort stand, wartete, und ich würde die stelle schon finden, sie sei ja mit einem totenkopf markiert, das sei nicht zu übersehen, auch in dieser kirche nicht, und ich schüttel ungläubig weiter mit meinem kopf, diesem hirnhäusl, das sich füllt und füllt, und habe franziska noch im ohr, franzi, wie hier alle sagen, die bereits ein paar tage vorab erzählt, dass sie als kind lieber in die franziskuskirche ging, weil es dort wärmer war, und sie fünfzigmal den satz schreiben musste, dass der gottesdienst in der pfarrkirche stattfindet, und sie fortan in die pfarrkirche ging,
und ich gehe wenig später dann auch in diese pfarrkirche, die kirche unserer lieben frau, es ist nicht weit, es ist allerheiligen, gehe in dieses riesige gebäude, wahrscheinlich eine der wenigen vierschiffigen kirchen, die es gibt, wenn es überhaupt so etwas gibt, die so groß ist, einen zu schlucken droht, in all ihrem barocken und gotischen glanz, schon wieder dieser glanz, und die einmal mehr deutlich macht, wie reich diese stadt einmal war, vielleicht noch ist, noch zehrt von diesen zeiten, als die fugger hier handelten, im großen stil, und gold noch nicht soviel wert wie silber war, vielleicht gilt das auch fürs schweigen.
still ist es im gebäude, meine schritte holen mich ein, obwohl zögerlich, richtung altar, und tatsächlich, die kleine steintafel. allzu groß durfte man nicht sein, um dort zu stehen, denke ich, und stelle mich vor das quadrat, inmitten der vielen anderen quader, das so seltsam herausragt, von der einstigen holzwand nichts mehr zu sehen, eine wand, die die stände säuberlich trennte, so ist zu lesen, die bergknappen auf der einen, das bürgertum auf der anderen seite, eigene eingänge, das oben und unten des bergwerks, der gesellschaften, durch alle zeiten ja, auch hier sichtbar, die einen, die oben bleiben, die anderen, die nach unten einfahren, die einen im licht, die andern im dunkel, dazwischen eine trennung, mal mehr, mal weniger sichtbar. und bei thomas bernhard lese ich die tage in seiner »auslöschung«:
»Während die sogenannten Unteren immer zu uns herauf strebten, strebte ich immer nur zu ihnen hinunter. Die Unteren waren immer unglücklich gewesen als Untere, ich war es als Oberer, denn ich litt daran, oben zu sein, wie die unten, unten zu sein.«
und das oben und unten dreht sich mir durch den kopf, gerade hier, und ich setze mich nicht in eine der holzgedrechselten bänke, nein, setze mich lieber ganz hinten auf einen stuhl, direkt unter dem leuchtenden phonomat, eher ein glimmen eigentlich, so ein schöner bruch in dieser kirche, hier hinten hat der glanz kurz ein ende, die im dunkeln sieht man nicht, das ist auch hier so, und werfe einen euro in den automaten, nehme den hörer ab, und tatsächlich, eine frauenstimme mit zurückhaltendem dialekt, angenehm in meinem ohr, erzählt mir die geschichte der kirche, ich höre ihr zu, ich hätte fragen, aber auch die sammel ich, und sie wünscht mir abschließend einen schönen tag, bedankt sich für meine aufmerksamkeit, ich nicke, nicke deutlich mit meinem kopf, hänge den hörer ein, so ein anachronismus, wünsche auch ihr einen schönen tag, so ein automatismus, ein leises lachen noch, kaum zu hören im vierschiffigen glanz.